Trautwein, Brigitte
Zu Anfang der neunziger Jahre erweitert die Malerin Brigitte Trautwein (1948-2022) ihr künstlerisches Repertoire um die „Erinnerungsbilder“.
Von der Suche nach Axiomen der Farbstimmungen und -strukturen führt der Weg zu fast monochromen Bildern. Die früheren Bilder zeigen eigenständige Farb- und Formenwelten, die Ruhe und Harmonie vermitteln, sie erscheinen als organisch wachsende, als organisch gewachsene Gebilde. Durch sehr genau geplante übereinander gelegte Ölfarbenlasuren entstehen feine Farbabstufungen, ähnlich der altmeisterlichen Schichtenmalerei. Farbe, Licht und Raum sind die Gestaltungselemente dieser Bildwelt. Ihr Licht ist kein Beleuchtungslicht, das plastisch modelliert und Schatten wirft, sondern Bildinnenlicht, das aus den Gründen der Farbfelder hervordringt.
Was die aktuellen Bilder Brigitte Trautweins von ihren vorangegangenen Arbeiten unterscheidet, ist die Tatsache des völligen Mangels an Farbigkeit. Vor einem Kernbild, das aus der Erinnerung aufzutauchen scheint, stehen Gestalten, auf ihre Silhouette reduziert, verbunden mit architektonischen Bruchstücken. Die Gestalten sind präsent, doch auch durchscheinend. Die Bildfläche erscheint nicht mehr als „neutraler“ Träger, sondern als durch das Sehen erfasste Wirklichkeit, die lebendig, suggestiv und an die Realität gebunden ist und emotionale Wirkungen hervorruft. Die Stille der Gegenstände wird aufgenommen, die starre Unbeweglichkeit wird thematisiert, der dingliche Zustand wird zum Ereignis. Der nahezu monochrome graue Hintergrund wirkt düster, mutet ruhig, aber auch geheimnisvoll an, während er den virtuellen Raum beschließt. So ist der Hintergrund Bildgegenstand, Wand und abschließende Fläche.