2007 – BUNDESLADE

Die Bundeslade ist eine Ausstellung des LKB in Buchform, sehr sorgfältig und aufwendig gestaltet.
Sie wurde ab 2007 für den stolzen Preis von 1000.- € angeboten und konnte in jährlichen Raten von 100 € abbezahlt werden. Die Käufer galten damit für 10 Jahre als Fördermitglieder des LKB.

 

Ragos Mühle

Nicht jeder hatte das Glück, in Ragos Mühle eingeladen zu werden. Wer einmal dort war, vergisst sie nicht. Denn Ragos Mühle ist ein Schatzhaus, auch wenn der Wert dieses Schatzes nicht jedermann unmittelbar einleuchten wird. Ragos Mühle ist voll! Auf ihren drei Etagen und im angebauten Müllerhaus gibt es kein Fleckchen freie Wand. Die zahlreichen Tische sind bedeckt mit den Kleinodien, die Rago Torre-Ebeling (*1926) in über 70 Jahren zusammengetragen hat. Auch die vielen Stühle, jeder ein Charakterstück, sind zu Podesten umfunktioniert, bis auf einen. Der hat ein grünes Sitzkissen und scheint nur darauf zu warten, dass auch er endlich einer Schale mit Porzellanobst, einem Stapel Kataloge, einer Skulptur, einem gerahmten Bild oder einer Handvoll Glasperlenketten erhabene Unterlage werden kann, damit es sich vom Übrigen zumindest räumlich abhebt. Denn auch der Fußboden ist übersät mit geschweißten Eisenskulpturen, Gipsreliefs und mancherlei Gerät, das hinsichtlich seiner Funktion rätselhaft bleibt. Nur auf hüftbreiten Schlängelpfaden gelangt der Besucher mit vorsichtigen Schritten durch das Labyrinth dieser Wunderkammer zur steilen Stiege, die, nur in der Mitte der Stufen begehbar, weil rechts und links Kleinplastiken, Blumenvasen und Kerzenleuchter paradieren, nach oben führt, in die nächste Etage dieses verwunschenen Turmes, in dem die Dinge ihre Lebensgeschichten erzählen, die auch die Geschichten von Rago Torre-Ebeling sind. Da ist der Wanderstock, mit dem er vor vielen Jahren den Vesuv erstieg. Da ist ein kleines Ölbild aus dem Kunststudium in Berlin, ein »Marinestück« ohne ein einziges Schiff, wie der Maler erläutert. Stattdessen molluskenhafte Formen im wogenden Tang, damals um 1950 eine kühne Abstraktion. Vieles ist Erinnerung an persönliche Begegnungen: Eine Radierung von Günter Grass, dem Studienkollegen aus der Berliner Zeit, mit persönlicher Widmung; eine Tuschfederzeichnung von Henry Moore mit »best wishes for Mr. Torre-Ebeling«. Dazwischen immer wieder eigene Zeichnungen, Collagen und Gemälde. Besonders beeindruckend ist eine große Leinwand. Auf den ersten Blick denkt man an synthetischen Kubismus, wird dann aber darauf hingewiesen, dass es bei diesem Bild für die Abschlussprüfung bereits um die Erforschung der Autonomie der bildnerischen Mittel geht, dem Thema, das Rago Torre-Ebeling sein ganzes Leben beschäftigen wird, sowohl als Kunstjournalist, als Professor für Kunstgeschichte und ganz besonders in seiner künstlerischen Arbeit als Maler und Bildhauer. Spätestens an diesem Punkt des Rundgangs durch die Mühle wird dem Besucher klar, dass er hier eine überdimensionale Installation durchschreitet, wo jede Einzelheit seine Bedeutung für das Ganze hat und das Ganze nicht weniger als die Weitsicht des Künstlers Rago Torre-Ebeling darstellt bzw. die Geschichte seiner Entstehung erzählt. Jedes Objekt hier ist ein Stück Erkenntnis unserer Welt, die zwar ihr Geheimnis nicht enthüllt, dem nachzustellen aber die selbst auferlegte Aufgabe jedes Künstlers ist. Ragos Mühle ist Sinnbild für die Art, wie bildende Kunst abseits des Marktes funktionieren kann, auch oder gerade, wenn sie weitgehend unbemerkt geschieht. Ragos Mühle gibt es wirklich, aber wir verraten nicht, wo man sie findet. Wir nehmen sie als Beispiel für das große schöpferische Potential, das heute auch abseits der Event-Kultur überall zu finden ist, wenn man danach Ausschau hält. (Günter Schulz)

Die KünstlerInnen der „BUNDESLADE“

Thomas Grochowiak

Thomas Grochowiak (1914-2012) erarbeitet seine Gemälde in Schichten, die sich teils transparent überlagern, den Bildgrund durchscheinen lassen. Er verwendet ausschließlich Tuschen. Das Papier liegt plan vor dem Künstler; er erforscht, beobachtet die entstehende Arbeit im Umqueren, er greift von allen Seiten ein. Einzelne Partien werden mit Wasser ausgewaschen, andere werden, durch das Übereinanderlegen der Schichten, noch gehöht, so dass sich durchaus eine reliefartige Textur ergeben kann. Frottagestrukturen oder linienhafte Spuren erreicht Grochowiak, indem er mit Papier die feuchte Farbe aufsaugt, wieder wegnimmt. Die Rückseiten von Blättern, bei denen die Farbe durch das Papier gedrungen ist, können als Ausgangspunkt für neue Bilder fungieren. »Thomas Grochowiaks Malerei ist getragen von Serenität, Gelassenheit, Grazie, ohne damit ins Leichtgenommene sich abzuheben; sie hat das Gewicht ihrer Reife in der Freiheit von allen tagesorientierten Präsentationen erlangt. Nicht von ungefähr ist ihm Mozart besonders nahe. Die Grazie, die elode Beschwingtheit, das Schweben, Wohllaut und tanzhafter Rhythmus. Aber nicht ins bloß Mitschwingende geraten die Bilder. Haben sie Mozarts Heiterkeit, so auch dessen Schwere. Das Dunkel ist auch im Lichtgerinsel gegenwärtig. Es gibt gewissermaßen den Generalbass, der die eigentliche Melodie um so leichter perlen zu lassen scheint,« schreibt Franz Joseph van der Grinten, aus dessen Feder die wichtigsten, einfühlsamsten Texte zu Grochowiaks Bildern stammen.

 


Karl Heinz Brunwinkel

Karl Heinz Brunwinkel (1924-…2016) beschränkte sich nach Jahren in vorwiegend expressionistischer Bildsprache seit 1968 freiwillig auf konstruktive Kompositionen mit schwingenden und vibrierenden Liniensystemen im farbstarken Hard-Edge. Später entstehen durchdachte Konstruktion als Prinzip und System bildnerischer Darstellung, exakt vorgeplant und perfekt gearbeitet. Kalkulierte geometrische Ordnungsformen bestimmen über Jahre serielle Studien mit vielfältigen ähnlichen Konstruktionsmerkmalen und rhythmischen Veränderungen unterstützt durch Farbe. Neuere Arbeiten seit 1992 haben natürliche Ausgangspunkte. Gewachsenes, Bewegungsabläufe und Strukturen sind der Ansatz, über den sich die Bildentwicklung hinwegsetzt. Es geht um die innere Dynamik.

 


 

Rago Torre-Ebeling (1929-2022)


 

Krista Rodekohr *1937

Die Malerei von Krista Rodekohr ist dem abstrakten Expressionismus zuzuordnen. So gestaltet sie ihre Bilder überwiegend in informeller Malweise zuweilen in Verbindung mit abstrakten Formelementen, wobei sich ihre Arbeitsweise zum Teil intuitiv, jedoch auch reflektierend vollzieht. Die Bildinhalte beziehen sich auf die bewegenden Kräfte in der Natur, das sich stetig Wiederholende, das ewig Fließende. Es geht ihr nicht um die Nachahmung der sichtbaren Wirklichkeit. Wohl wissend um die Unerreichbarkeit letztendlicher Erkenntnis, weckt das Unbekannte, das Geheimnis hinter den Dingen ihre Neugier. Dynamische Linien, aufgetragen mit dem Spachtel oder Pinsel, feine Ritzungen und zarte Bleistiftzeichnungen fügen sich zu einem spannungsreichen Ganzen. Aus transparenten, lichten Hintergründen tauchen schemenhaft erkennbare Formen auf. Kaum wahrnehmbare Spuren, die scheinbar verblassen und in Auflösung begriffen sind. Die Tiefe des Bildraumes entsteht durch Überlagerung von Strukturen, Farbschichten und der unterschiedlichen Gewichtung von Farbflächen. Der bewegte, dynamisch gestaltete Vordergrund und der ruhige lichte Hintergrund bilden spannungsvolle Gegensätze, woraus die Bilder den ihnen eigenen ganz besonderen Reiz beziehen. Eine räumliche Illusion entsteht, die den Bildern etwas Geheimnisvolles, Atmosphärisches verleiht. Wir sehen einen Abglanz des unwägbar Unbekannten: Das Nicht-Sichtbare hinter den Dingen scheint zum Greifen nah.


 

Klaus Zeitz *1937

Aus Zeitz‘ Œuvre mit seinen gegenständlichen, abstrakten und ungegenständlichen Arbeiten sind Bilder ausgewählt worden, weil derartige Darstellungen mit teilweise erzählerischen Inhalten in der Gegenwartskunst auch international aktuell sind: diese Bildereinen ›jugendlich‹ frischen Charakter aufweisen, ohne dass die Auswirkungen jahrzehntelanger gestalterischer Erfahrung verloren gingen, die kontrastreiche, fein abgestimmte Farbigkeit sowie der lebhafte Farbduktus den Arbeiten eine starke Vitalität verleihen, Menschen und Gegenstände zwar relativ realistisch gemalt sind, dennoch durch Brüche und Paradoxien irritieren sowie Fragen nach Wahrnehmungs- und Verstehensproblemen im Hinblick auf Sein und Schein aufwerfen, Aspekte gesellschaftspolitischen Interesses in allgemeiner Form behandelt werden, was zur Relevanz beiträgt, die Bilder trotz vermeindlicher Widersprüche dennoch Stimmigkeit und innere Geschlossenheit aufweisen.


 

Ingrid Moll-Horstmann *1937

 

Die Auswahl der Arbeiten von ihr bezieht sich auf ihre Holzschnitte, Glasarbeit und Stelen von Glas- und Acrylmalerei. Die Holzschnitte überzeugen durch ihre Dichte und Stimmigkeit. Die Glasarbeiten stehen in starkem gestalterischen Zusammenhang mit den Holzschnitten. Auch in den Stelen und Acrylarbeiten ist die Sicherheit im Gestaltungsbereich spürbar.


 

Redzep Memisevic *1937

In den Bildern von Redzep Memisevic dominieren rote, orange und braune Töne, die stellenweise sehr verdünnt aufgetragen sind. Die Figuren, ausschließlich Mädchen und Frauen, sind oft das einzig Gegenständliche in seinen Bildern. Die Köpfe sind erkennbar, aber die Gesichter wiederum lassen dem Betrachter weiteren Raum zu eigenen Überlegungen und Deutungen. Versuche, das Gesehene ins Gegenständliche zu interpretieren stoßen an Grenzen. Jeder sieht etwas anderes und doch immer das Richtige. Es fällt auf, dass der Maler in einigen seiner Bilder seine künstlerischen Ambitionen ins Informell-Strukturalistische erweitert und somit in die Dimension einer freien Imagination vorstößt. Das verleiht ihnen einen unverwechselbaren Charakter.


 

Günter Schulz *1939

Über das Staunen darüber hinaus, was Computerfreaks mit der »Maus« in der Hand alles auf den Bildschirm zaubern können an historischen wie aktuellen Daten, Texten, Reportagen in Bild und Film rund um den Globus, hat mich diese folgenreiche, phänomenale Erfindung unserer Zeit bisher nicht sonderlich in den Bann gezogen.
Bei der Betrachtung der Bilderfolge »Swing« von Günter Schulz habe ich jedoch erlebt, dass sich Computer als einzigartiges, universales Werkzeug zur künstlerischen Gestaltung auszeichnen.

Diese aus schöpferischen Gedanken und Computerdaten entstandenen farbigen Bilder – Computergrafiken – in der geglückten Verschmelzung von Kunst und Technologie beeindrucken nicht nur als druckgrafisch brillante Arbeiten, sondern auch als Kunstwerke von emotionaler Ausdrucksstärke und beseelter Eindringlichkeit. Durchweg vor und im flächendeckenden schwarzen Grund breitet der Zeichner und Maler in den nicht enden wollenden Blättern (Ausdrucken) sein überquellendes Repertoire an Form- und Farbkonstellationen und mehr noch an spontanen Bildideen aus. Skizzenhaft knapp, meistens mit spontanen, oft energisch betonten Leitlinien in den Bildraum dringend, stehen diesen ein flächenhaftes Gefüge aus parallel eng gestrichelten Linien gegenüber. Thema und Gegenthema, stabile Formgebilde gegen das Dickicht schwirrender Linienbündel oder sich auflösender Farbfelder. Weit ausholende Kreisformen sind oft im Spiel, wie mit dem Taktstock eines Dirigenten gezeichnet. Auch gibt es Ausdrucke, in denen lyrisch versponnene, zarte in sich verwobene Kreise in verhaltener Farbigkeit ihre Bahn ziehen. Es darf nicht verwundern, dass solche Bilder in ihrer Gestaltung und emotionaler Wirkung Ergebnisse wachrufen, die ins Reich der Musik führen, und andere, die in ihrer transparenten Schwerelosigkeit wie schwebende Visionen von imaginären Welten im Universum erscheinen.


 

Antje Kristine Haase *1939

Antje Kristine Haase geht bei ihrer bildnerischen Arbeit in der Regel von Naturbeobachtungen aus. Grafische und malerische Techniken kombiniert sie oft und setzt sie auf der Bildfläche verfremdend ein. Ihr dabei zumeist spontanes Vorgehen und und ihre Liebe für das bildnerische Experiment mit den verschiedenen Materialien machen deutlich, dass es ihr nicht um die Wiedergabe von Realitäten, zum Beispiel von Landschaften und Stillleben geht. Viel eher ordnet sie die Beobachtungen ihrem jeweiligen Gestaltungswollen unter. Betrachtet man die Bildreihen von Antje Kristine Haase rückblickend, so ist eine sich durchhaltende Grundstimmung zu bemerken: eine heitere Gelassenheit.


 

Ewald Horstmann *1939

Ewald Horstmann arbeitet sowohl im malerischen als auch im plastischen Bereich. Seine Arbeiten spiegeln die rhythmischen Schwingungen der Natur wider. Ausdrucksmittel sind gegenständliche und abstrakte Figurationen, die durch archäologische oder neuzeitliche Funde beeinflusst sind. Seine Farbigkeit tendiert zum mystischen Blau.


 

Hella Nacke-Korsch 1940-2007

 Die großen, oft mehrteiligen Bilder von Hella Nacke-Korsch beeindrucken durch Malgestik und »schrille« Farbakkorde. Die hat sie aus New York mitgebracht, wo sie zehn Jahre lebte, bevor sie nach Detmold zurückkehrte und die Lipper mit ihren unkonventionellen Farben in Bewegung brachte. Pink-weiß-türkis, gelb-rosa-braun, maigrün-violett-schwarz; so kommen sie daher, die Stimmungsmacher von Hella Nacke-Korsch. Aus einer strengen Grundkomposition entwickelt sich ein Spielfeld des Zufalls. Kalkül und Intuition verbinden sich zu einer den Betrachter mitreißenden informellen Dynamik.


 

Gudrun Harff *1941

Seit mehreren Jahren befasst sich Gudrun Harff mit dem Thema »Menschliche Figur«. In ihren Bildern sind die Figuren oft nackt, sie sind sich fremd, sie haben nichts miteinander zu tun. Harff schafft mit ihnen mehrere Perspektiven gleichzeitig, wobei die Linie und die Zeichnung ihr ebenso wichtig sind wie die nuancenreiche Malerei, die Helligkeitsstufen in allen Schattierungen. Schließlich trägt die Einheitlichkeit der Technik (Malerei und Collage) zu einem harmonischen Gesamtzyklus bei.
 


 

Ursula Ertz 1941-…2020

Die Bilder von Ursula Ertz sind sowohl für ihre Darstellungsweise als auch für ihr Verständnis von Strukturen beispielhaft. So ist auf allen Bildern eine reliefartige Struktur zu sehen, die zu einigen realistisch gemalten Gegenständen und Pflanzen in Bezug gesetzt wird. Die Strukturen, durch eine Weiterentwicklung der Decalcomanie (das Aufdrücken und Abklatschen oder Abziehen von Farbe auf Leinwand mit Schwamm, Papier oder Glasplatte) erzeugt, sind Hintergrund und Bildgegenstand zugleich. Sie erhalten einen Hinweis auf ihre Bedeutung durch die abgebildeten Dinge, wohingegen in späteren Werken die Bildaussage allein durch die monochrome Struktur und ihre Komposition bestimmt wird.


 

Gisela Dombrink *1943

Es geht der Malerin und Grafikerin Gisela Dombrink um das Einfangen und Festhalten von Eindrücken, Erlebnissen, Stimmungen und Erinnerungen. Themen sind die Natur, Städte, Menschen und Musik. Das Charakteristische ihrer Bilder ist die Art der Verknüpfung einer realistischen und einer der Fantasie entstammenden Bilderebene, die malerische Flächenbehandlung verwoben mit der Zeichnung, die Verbindung von Linien und Flächen, von transparenten und deckenden Farben. Sie kombiniert Gegenständlichkeit mit Abstraktem, Realität und Fantasie durchdringen sich. Konkrete Zeichnungen und malerische Elemente finden harmonisch zueinander, wobei die Zeichnung nicht immer gegenständlich sein muss. Sie bevorzugt leuchtende Farbtöne. Die Bilder wirken leicht und sonnendurchflutet. Wenn Motive wiederzuerkennen sind, geben sie kein Abbild der Wirklichkeit. Es handelt sich vielmehr um ein Abbild ihres eigenen Eindrucks und der durch sie hervorgerufenen Assoziationen. Wenn Arbeiten vom Gegenständlichen losgelöste Inhalte haben, überwiegt die Bildebene der Fantasie mehr und mehr. Das Bild wird zu einer freien Fantasie in Farbe und Komposition.


 

Ursula Horstmann *1943

Ursula Horstmann nimmt Anregungen für ihre Malerei aus der Natur: Sie setzt Fragmente von Hölzern, Rinden, Ausschnitte von Blüten, Muscheln etc. großformatig in Acrylmalerei um. Dabei entstehen Abstraktionsprozesse, die den ursprünglichen Gegenstand nur noch erahnen lassen, und dem Betrachter Freiräume der Anschauung, Vertiefung und Interpretation möglich machen. Ihre bevorzugten Farben sind die erdigen Farbklänge, die nicht nur mit dem Pinsel und dem Schwamm aufgetragen, sondern auch mit Daumen und Handballen verwischt oder auch mit Papier abgezogen werden. Lineare, grafische Elemente fügt sie mit dem Pinselstiel hinzu, wie auch horizontale oder vertikale Linien, die sich daraus ergeben, dass Leinwände aneinandergefügt werden.


 

Ulrike Emmanouidis *1943

In den neuen Arbeiten von Ulrike Emmanouilidis, die unter der Serie Zeichen zusammengefasst sind, werden die großformatigen Leinwände (120 x 100 cm) von grafischen Elementen beherrscht, die in Form von frei erfundenen Zeichen mit großzügigen, flachen Pinselstrichen auf die Leinwand gebracht werden. Die Bilder sind vorwiegend in Schwarz, Weiß und Grau aller Schattierungen gehalten. Weitere Farben werden bewusst sparsam eingesetzt. Dem geistig-rationalen Gesamtentwurf liegen Regeln und Systeme zugrunde, aber auch scheinbare Zufälle, Irritationen und Brüche. In diesem Spannungsfeld zwischen Stabilität und Nüchternheit einerseits und scheinbar Fehlerhaftem andererseits entwickeln sich Prozesse, die den Betrachter in ihren Bann ziehen. Da die Elemente über die Seitenränder hinausdrängen, entsteht der Eindruck, diese Prozesse seien noch nicht abgeschlossen.
Die Bilder stehen der Theorie der 1930 von Theo van Doesburg beschriebenen Konkreten Kunst nahe. »Zumeist durch bloße Verteilung von Formen und Farben werden ›innere‹ Bilder geschaffen, die Balance, Rhythmus, Harmonie ausstrahlen und auf diese Weise der Kontemplation einen fast meditativen Charakter verleihen ... . Der Betrachter ist gleichsam der Fortsetzer des Werks, indem er es in einer dialogischen Auseinandersetzung durch seine individuelle Wahrnehmung und Imaginationskraft für sich vollendet.« (A.Rost: Konkrete Kunst)


 

Urich Heinemann *1944

mit Künstleraugen fotografiert – Fotos wie Gemälde – feine und grobe Strukturen – weiche, warme Farbtöne – Inhalt und Komposition spannungsvoll  – offensichtlich lustbetontes Arbeiten


 

Gisela Ruthenberg *1946

Ihre Bilder sind rebellisch und provozierend. Die Künstlerin stellt dar, woran die Welt krankt. Die Arbeiten spiegeln ihre persönliche Betroffenheit wider. Sie kombiniert verschiedenste Techniken, welche die inhaltlichen Aussagen in unorthodoxer Weise unterstreichen und verstärken.


 

Brigitte Trautwein *1948

Zu Anfang der neunziger Jahre erweitert Brigitte Trautwein ihr künstlerisches Repertoire um die »Erinnerungsbilder«. Von der Suche nach Axiomen der Farbstimmungen und -strukturen führt der Weg zu fast monochromen Bildern. Die früheren Bilder zeigten eigenständige Farb- und Formenwelten, die Ruhe und Harmonie vermittelten. Die Bilder vermittelten eine sanfte Bewegung, erschienen als organisch gewachsene, organisch wachsende Gebilde. Durch nach einem genau vorbedachten Plan übereinander gelegte Ölfarbenlasuren wurden feine Farbabstufungen erzielt, ähnlich der altmeister¬lichen Schichtenmalerei. Farbe, Licht und Raum sind die Gestaltungselemente dieser Bildwelt. Ihr Licht ist kein Beleuchtungslicht, das plastisch modelliert und Schatten wirft, sondern Bildinnenlicht, das aus den Gründen der Farbfelder hervordringt. Was die aktuellen Bilder Brigitte Trautweins von ihren vorangegangenen Arbeiten unterscheidet, ist die Tatsache des völligen Mangels an Farbigkeit. Vor einem Kernbild, das aus der Erinnerung aufzutauchen scheint, stehen Gestalten, auf ihre Silhouette reduziert – verbunden mit architektonischen Bruchstücken. Die Gestalten sind präsent und doch auch durchscheinend. Der Betrachter sieht die wahrnehmbare Welt und zugleich Augenblicke der Vergangenheit, während die Gestalten dieser Vergangenheit längst Erinnerung geworden sind. Die Bildfläche mit dem Kernbild erscheint nicht mehr als »neutraler« Träger, sondern als durch das Sehen erfasste Wirklichkeit, die lebendig, suggestiv und an die Realität gebunden ist und emotionale Wirkungen hervorruft. Die Stille der Gegenstände wird aufgenommen, die starre Unbeweglichkeit wird thematisiert, der dingliche Zustand wird zum Ereignis. Die als Erinnerungsgebilde erscheinenden Gestalten werden Teil der Realität. Ereignislosigkeit, Unbeweglichkeit und Stille sind Gestaltungsthema. Die Anzahl der Motive wird bewusst reduziert. Der nahezu monochrome graue Hintergrund wirkt düster, mutet ruhig, aber auch geheimnisvoll an, während er den virtuellen Raum beschließt. So ist der Hintergrund Bildgegenstand, Wand und abschließende Fläche.


 

Wolfgang Norden 1949-…2016

Wolfgang Norden parodiert in seinen Zeichnungen, Gemälden und Objektkästen oft auf hintergründige Weise den Zeitgeist, löst beim Betrachter immer Emotionen aus und trifft den »Punkt«, verblüffend und originell. Sein Einfallsreichtum scheint schier unbegrenzt zu sein. Er spricht eine kompromisslos deutliche Sprache. Er ist kein bequemer Künstler; seine Arbeiten dienen nicht der Erbauung, sie sind Provokation. Wolfgang Norden schafft Einsichten, er überzeugt, aber er überredet nicht.


 

Karin Oestreich *1949

»Um sich mit dem Tod vertraut zu machen, braucht man sich ihm nur zu nähern.« (Michelle de Montaigne). Wenn Karin Oestreich ihre Bilderserien mit menschlichen Skeletten, Schädeln, Mumien usw. zeigt, wird ihr oft diese Frage gestellt: »Wie halten Sie das nur aus? Sie wirken doch so lebensfroh!« Ihre Antwort lautet dann gewöhnlich so: »Weil ich grundsätzlich eine positive Einstellung zum Leben habe, kann ich mich mit dem Thema Tod künstlerisch auseinander setzen und umgekehrt!« Diese Logik leuchtet vielen Fragenden zwar meistens nicht gleich ein, mildert aber den Abscheu und verhindert in der Regel die sofortige Abkehr vom Bild, so dass ein meditativer Dialog ermöglicht wird.

Vielleicht ereignet sich dann so etwas, wie es Emile Cioran einmal autobiographisch beschrieben hat: »Der Zufall eines Wolkenbruchs trieb mich eines Herbsttages für einige Augenblicke ins naturwissenschaftliche Museum. Dort verweilte ich aber eine Stunde, zwei Stunden, drei, vielleicht. Monate sind seit diesem unvorhergesehenen Besuch vergangen, doch ich vergesse nicht so bald diese Augenhöhlen, die einen beharrlicher als Augen anblicken, diesen Jahrmarkt der Schädel, dieses mechanische Grinsen auf allen Ebenen der Zoologie. ... Ich weiß keinen Ort, wo die Vergangenheit gegenwärtiger wäre. Man gewinnt den Eindruck, als habe sich das Fleisch von seinem Anfang an verflüchtigt, als habe es in Wahrheit nie existiert, als sei es ausgeschlossen, dass es diesen feierlichen, so sehr von sich selbst durchdrungenen Knochen je verhaftet war ... . Das ist der Grund, warum ich mich in diesem Museum zu Hause fühle, wo alles zur Euphorie eines vom Fleisch gereinigten Universums einlädt, zum Jubel des ›Nach dem Leben‹.« Es geht also im Werk von Karin Oestreich gar nicht um Sterben und Tod, sondern um das Leben. Fast immer beginnt sie mit einer Fotografie: In einem vielschichtigen Bearbeitungsprozess verbindet die Künstlerin die Zeichen des Vergänglichen mit Hinweisen auf die Gegenwart. Dabei erzeugt sie die eigentümliche Wirkung ihrer Bilder durch die adäquate Verwendung von fragilen Materialien wie altem Papier und Leinen, auf dem die Zeit schon ihre Spuren hinterlassen hat. Dafür hat sie eine eigene maschinelle Nähtechnik entwickelt: Durch die Stickumrüstung ist es ihr möglich, die Vorlage frei zu verschieben, während die Nadel Löcher ins Papier sticht und die Fäden verschlingt. Zusätzlich werden Linien per Hand mit Fett- oder Graphitstift verstärkt oder umspielt, Flächen mit Pastellkreide angelegt, fixiert oder verwischt. Strukturen entstehen durch Frottagetechnik. Ganze Bildpartien werden überklebt und mit Teilen aus zerrissenen früheren Arbeiten abgedeckt. Skripturale Elemente beleben manche Bildpartie, werden mehrfach überschrieben, mit Wachsfarbe abgedeckt und partiell wieder freigekratzt oder enkaustisch geglättet. Dieser langwierige Prozess ist für den Betrachter nachvollziehbar und bindet so die Aufmerksamkeit für ein Tabu-Thema unserer Gesellschaft.


 

Rainer Nummer *1949

Figürlich – meditative Konstruktion – Anregungen aufsaugen – gesetzte Farbigkeit statt transparenter Leichtigkeit – Archiv im Kopf – Flächen, denen man die Übermalung ansieht – gegenstandslos – Aktion, Prozess, sachlicher im Alter – Sprengkraft der Linie – Bewunderung alter Meister – Schichten – Erfahrungen von Licht, Farbe, Raum – Verflechtungen – Kontakte zur Musik – krustig, erdig (Schumacher, Tapies) – symbolisch aufgeladene Zeichen – »Der Fürst lässt sich nichts verbieten«


 

IMO (Ingrid Zimmermann) *1950

IMO verlässt sich in ihren Photoarbeiten auf die Aussagekraft des Fragments. Mit den unspektakulären Details, die sie auf Barytpapier oder, mittels einer lichtempfindlichen Emulsion, auf Aquarellpapier belichtet, lenkt sie den Blick auf Dinge und Zustände, die wir oft übersehen. Der Alterungsprozess eines Hauses und die darin liegende Ästhetik und Schönheit wird sichtbar. Übertragen wir diesen Blick auf uns selbst, ergibt sich daraus eine Entdeckung und Wertschätzung der eigenen Lebensspuren.


 

Andreas Fuchs *1950

Reduktion – horizontal – Lebensraum – diffuser Strich – Abstraktion durch Licht – Lochkamera – Unschärfen – besondere Orte – impressionistisch – Ruhe – Zeit wird Bild


 

Ernst Thevis *1961

Wer sich als Betrachter auf die plastischen Arbeiten von Ernst Thevis einlässt, bemerkt bald eine Besonderheit. Was sich auf den ersten Blick als massiver Holzblock gebärdet, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als leere Hülle. Man fragt: Warum sind diese Holz-Körper hohl? Der technische Grund mag sein, dem Holz seine umgebungsabhängige Materialspannung zu nehmen und so ein Reißen der Schnitzwerke zu verhindern. Nachweislich überstehen die Arbeiten klimatische Veränderungen im Freien nicht nur unbeschadet, sondern altern in Schönheit, wie es nur dem Werkstoff Holz eigen ist. Ein praktischer Grund ist sicher auch, dass das Aushöhlen die Arbeiten leicht und damit gut transportierbar macht. Aber zu diesen vordergründigen Erklärungen kommt noch ein wesentlicher Aspekt: Die Hülle trennt das Äußere, die Welt mit all ihren offen daliegenden Objekten, vom Inneren, das ein Verborgenes ist.

Diese Verschlossenheit betont Ernst Thevis dadurch, dass er die Teile, in die er die Ganzform zunächst zerlegt hat, um den Aushöhlungsprozess möglich zu machen, anschließend fragil wieder zusammenfügt, und zwar mit Kokosfasern oder Sisalschnur. Mit groben »Stichen« wird der Innenraum verschlossen. Wie Wundnarben überziehen die Nähte die Außenhaut der Skulptur. So ist der Hohlraum für den Betrachter nicht real erfahrbar, mehr vermutet als gewusst, nur geahnt und deshalb geheimnisvoll. Welche Geheimnisse mögen hier versteckt sein? Das Geheimnis!


 

Axel Plöger *1966

Portrait als Erfindung – Bilderflut – Körperwelten – Ausschnitte – sinnliche Reise – Gestus – Melancholie – Proportion – Expressionist – fließende Formen und Farbe – Vorbilder – keine Vorzeichnung – Malvorgang als Entscheidung – Risiko – „Der Condor fliegt über den Teutoburger Wald“


 

Robin Jähne *1969

Robin Jähne ist ein Jäger mit der Kamera, der mit List und Ausdauer die Sensationen der Natur einfängt und in faszinierenden Bildern Dauer verleiht. Mikrokosmos und Makrokosmos unvereinbar? Nein, denn wer im Physikunterricht aufgepasst hat (wer hat das schon) weiß, dass alles aus kleinsten Teilchen besteht. Zwar werden die mit fortschreitender Technik immer kleiner, der Teilchenzoo immer größer, doch die Folgen der Wechselwirkungen setzen sich bis zu den großen Dimensionen fort.

Und wenn die Sonne scheint, dann tut sie es, weil sich in ihr winzige Teilchen vereinen und dabei ein wenig Energie verjubeln. Von Klein zu Groß reicht auch die Spanne bei den fünf Fotografien von Robin Jähne. Und wie er so ist, so übertrug er diese Skalen auf die uns umgebende Natur. Klein ist sie, die frühe Adonislibelle, man braucht da schon ein Makroobjektiv, um sie auf der Fiberkleeblüte Format füllend abzulichten. Ein wenig größer sind schon die Dachse, deren Größe von den Externsteinen in den Schatten gestellt wird. Doch auch die sind klein im Vergleich zu den Naturgewalten eines Gewitters. Letzteres ist immer irgendwo bei Robin Jähne zu finden, denn er ist ein großer Fan dieser Wettererscheinung. Wenn sich andere zitternd verkriechen, steht er meist mit einer Kamera auf dem Dach, um Blitze zu jagen. Sind Blitze nicht zugegen, so können es schon mal astronomische Motive sein wie der Mond mit Erdlicht, der gerade von einer Wolke verdeckt wird. Zur Erklärung: Nur die Sichel ist beleuchtet, allerdings hellt Streulicht der Atmosphäre der Erde die dunkle Seite des Mondes auf. Er ist mehr als nur halb zu sehen, er ist rund, und schön, auch wenn er erst im Sichelstadium ist.